
„Ich habe einfach eine E-Mail geschrieben und mich beworben“
Ein längerer Forschungsaufenthalt im Ausland – und zwar auf möglichst hohem Niveau: Das hatte sich die Assistenzärztin für Neurologie Dr. Livia Asan vorgenommen. Dank gezielter Vorbereitung, eines Preises für Nachwuchswissenschaftler und einer Förderung durch die Universität Duisburg-Essen konnte sie diesen Traum verwirklichen. Hat sich der Aufwand für sie gelohnt? Das verrät sie uns im Interview.
Livia Asan, Sie sind gerade zurück von Ihrem Forschungsaufenthalt in London. Mit dem halben Jahr haben Sie sich einen kleinen Traum erfüllt. Wie ist Ihnen das gelungen?
Ich wollte schon seit langem für eine Zeit ins Ausland gehen und dort Forschung machen. Deswegen habe ich zunächst nach Möglichkeiten gesucht: Was möchte ich machen? Wo möchte ich forschen? Mit wem und in welchem Projekt? Der nächste Schritt war dann, sich zu überlegen, wie ich das mit einem Funding und mit Sachmitteln unterstützen kann.
Dabei hat Ihnen der Felgenhauer-Forschungspreis geholfen.
Ja, sehr. Der Felgenhauer-Forschungspreis ist ein Preis für junge Nachrufwissenschaftler in den Neurowissenschaften, der von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie jedes Jahr vergeben wird. Man bewirbt sich mit einem konkret geplantem Projekt, und wer den Preis gewinnt, wird mit 10.000 Euro Sachmitteln unterstützt. Ich hatte Glück und bin sehr froh, dass das geklappt hat.
Wie konkret war Ihr Projekt zu dem Zeitpunkt schon? Hatten Sie schon länger Kontakte nach London?
Vorher nicht. Ich hatte mir überlegt, zu Prof. Mark Edwards zu gehen, einem Neurologen am King’s College in London. Ich kannte seine Forschung, er ist ein sehr renommierter Experte für Bewegungsstörungen in der Neurologie und für funktionelle neurologische Störungen. Aber persönlich hatten wir tatsächlich noch gar keinen Kontakt. Ich habe ihn einfach per E-Mail angeschrieben, mich kurz vorgestellt und mich bei ihm initiativ für einen Forschungsaufenthalt von sechs Monaten beworben. Das war im Januar 2024. Zum Glück hat er sehr rasch geantwortet und mein Vorhaben unterstützt. Er hat mich gleich in Verbindung gebracht mit weiteren Forschenden dort, und so konnten wir recht schnell konkret werden. Bereits im Oktober war ich dann in London.
Mit dem Preisgeld durften Sie nur Sachmittel finanzieren. Wer hat in der Zeit Ihr Gehalt bezahlt?
Ich hatte das Glück, dass meine Stelle durch das Clinician-Scientist-Programm UMEA hier an der Uni finanziert wurde und ich damit auch für die Forschung ins Ausland gehen konnte. Das heißt, ich hatte meine eigene Anstellung am Uniklinikum Essen weiter inne – das war natürlich ein großer Vorteil.
In London sind Sie in ein ganz neues Umfeld gekommen. Wie waren Ihre wissenschaftlichen Erfahrungen? War das Forschen dort ein bisschen anders als hier?
Ich denke, jede Arbeitsgruppe hat so ihre Eigenheiten und Besonderheiten. Das lebt immer von der Kultur derjenigen, die die Forschungsgruppen führen. In London hat mir gut gefallen, dass mehrere unterschiedliche Teams in großen, offenen Räumlichkeit untergebracht waren. Dadurch hatte ich von Anfang an viel Kontakt zu anderen Arbeitsgruppen. So habe ich auch Forschende aus anderen Gebieten wie der Psychiatrie kennengelernt, die zum Beispiel Psychosen im Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen erforscht haben. Das fand ich super spannend. So haben sich dann auch Gespräche und Kollaboration über andere Themen ergeben.
Führen Sie diese Zusammenarbeit jetzt, nach Ihrer Rückkehr, fort?
Ja, natürlich. Ein halbes Jahr ist für Forschungsprojekte sehr kurz. Ich bin schon nach London gefahren mit dem Plan, die Kollaboration zu verstetigen und aufrecht zu erhalten, wenn ich dann wieder in Essen bin. Tatsächlich geht die Datenerhebung zu meinem Projekt, mit dem ich mich für den Felgenhauer-Forschungspreis beworben habe, jetzt noch weiter. Dabei unterstützen mich mein Mentor Devin Terhune und eine Doktorandin, die für mich die Daten weiter erhebt. Auch ein anderes Projekt, das sich erst in London zu Daten aus einer klinischen Datenbank ergeben hat, führe ich aus der Ferne mit meinen Kollegen vor Ort fort, und das klappt wirklich gut.
Das klingt auch nach einer wertvollen Netzwerkerweiterung für Ihre Arbeitsgruppe hier am Universitätsklinikum Essen.
Das stimmt, da gibt es viele neue Berührungspunkte. Zum Beispiel haben meine Mentoren Mark Edwards und Devin Terhune schon Webinare gehalten für unseren SFB 289 „Treatment Expectation“. Darin ging es um Placebo- und Nocebo-Effekte bei Patienten mit funktionellen neurologischen Störungen. Das ist eine super Ergänzung zu den Themen hier im C-TNBS. Und natürlich auch eine Bereicherung für mich selbst und mein Profil als Forscherin.
Wissenschaftlich hat sich der Aufenthalt in London also gelohnt. Und wie war das auf persönlicher Ebene? Wie haben Sie die Stadt, die Menschen und das Umfeld dort erlebt?
London ist natürlich eine großartige Metropole, um dort ein halbes Jahr zu verbringen. Ich hatte das Glück, zusätzlich auch noch mit einem Stipendium des DAAD unterstützt zu werden, und damit den Luxus, nicht auf jeden Cent gucken zu müssen. Ich konnte ganz in der Nähe des King’s College Campus wohnen und dann auch ein bisschen meine Freizeit in London genießen. Zum Beispiel habe ich natürlich die typische britische Pub-Kultur mitbekommen, auch zusammen mit den Kollegen. Außerdem war ich viel im Theater und habe mir die tolle Architektur angesehen. Und auch die Leute waren klasse: Wenn man die Londoner morgens in der U-Bahn sieht, scheinen sie nicht so die Freundlichsten zu sein – aber im alltäglichen Umgang sind sie dann doch extrem britisch freundlich. Also, mir hat das Forschen in London wirklich rundum gut gefallen.